Die Sonne soll auf unsere Pappnasen scheinen

... der Karneval will es so!
Nein, der Karneval will es nicht wirklich so.
Man kann Karneval auch von der etwas anderen Seite betrachten, von der völkerkulturellen Seite zum Beispiel. Da gibt es den Herrn aus Kassel, dessen Name ich hier aus Datenschutzgründen nicht nennen möchte. Bezeichnen wir ihn als Herrn P., wie Platte, nur mal so angedacht.



Herr P. reist am 17. Februar eigens aus dem fernen Kassel an, um in Obrighoven, einem kleinen Dorf bei Wesel, der TT@WEST!-Community-Treff-Prunksitzung beizuwohnen. Die lange Fahrt jedoch trat er nicht uneigennützig an. Nein, er will den Eremiten am Niederrhein ein Stück seiner Heimat nahe bringen.

Mit geistigem Wissen im Hirn und Anschauungsmaterial im Gepäck und seiner Frau auf dem Beifahrersitz läuft der Ethnologe stilsicher in seinem winterweißen - passend zur Jahreszeit - Audi ein. Einen verflixt großen Audi fährt er, hat er doch anscheinend sehr viel Kulturelles im Kofferraum. Wobei der Satz "Auf dem Parkplatz einlaufen" ziemlich untertrieben ist.

Mein TT Cédric und ich befinden uns zu Anfang der geparkten Autos vor dem Restaurant - und wir stehen zum Abschuss bereit, als die weiße Rakete auf den Parkplatz zischt, kreist und zielsicher auf uns zuschießt!

Er, Herr P. ist als Beauftragter des Ethno-Centrums Kassel in Sachen "Stammesmode" unterwegs. Die Allgemeinheit im Saal, im speziellen die Community-Mitglieder von TT@WEST!, erwarten freudig den Beginn seines Vortrages. Herr P. lässt sich Zeit, weiß er doch um die Begierde des Sehenwollens seiner Mitbringsel. Dann kommt der große Augenblick!
Ein Plastiktütenknistern, ein Rascheln, ein geheimnisvolles In-die-Tüte-Äugen und die folgenden Worte: "Ich habe etwas mitgebracht!"



Kollektives Raunen und Staunen, viele "Ohs" und "Ahs", Beifallstürme und "Zeigen"-Rufe erfüllen den Saal mit dem Enthusiasmus der Zuschauer, Männlein wie Weiblein. Das Ding aus Kassel zieht die volle Aufmerksamkeit der Leute auf sich und hat sogleich seine Fans.

"Ajuja! Kann isch dat ma anpa…?" meldet sich eine Dame aus dem Kölner Raum, die vor Entzücken ihren Sitzplatz verlässt, um näher am Objekt der Begierde sein zu können. Die leuchtenden Augen der anderen interessierten Damen rund um den Tisch lassen erraten, worüber sie gerade nachdenken: Diese Mode sollte hier in unseren Breitengraden auch zum Muss werden… Enchiridion (kleines Handbuch) in vorgetragenen Worten zum Thema "Tibetstring":
"Das ist Horst!" stellte Herr P. den kleinen Kameraden vor. "Horst ist ein tibeterianischer Stringtanga mit Penisfutteral. Horst ist ein langes, spitz zulaufendes Rohr aus einer Kalabasse, also aus einem Flaschenkürbis. Für die Handwerker und Nachbauer: Falls nicht vorhanden, die Aufrollpappe einer gemeinen Küchenrolle tut es auch. Von Kassel bis Papua-Neuguinea wird dieses Etui von Männern als Kleidung getragen. (Bei Frauen sähe es auch irgendwie doof aus ...)

Die Männer stülpen sich ihren Horst über den Penis und befestigen ihn, Horst, mit einer Schnur rund um die Hüften. Bei längeren Futteralen werden die Schnüre auch um den Hals gebunden. Wegen der Länge und des Gewichtes sozusagen, und damit ein Horst nicht die Gegend unsicher macht. Ein Horst kann bis zu 40 Zentimetern lang werden, oder lang sein. Meint Herr P. (Muss Mann denn gleich so übertreiben?) Die hübschen bunten Blüten dienen nicht der Zierde oder sollen an Hawaii erinnern, nein, sie sind verantwortlich für angenehmen Tragekomfort, haben wir gelernt.



"Warum, Herr P., trägt Horst eine Brille?" Diese Frage kommt aus dem wissbegierigen Publikum.
"Damit er besser sehen kann!"

Eine einleuchtende und logische Antwort seitens des Seminarleiters.
Na ja, ganz Kassel trägt das? Ich weiß nicht

Stopp! Wie wäre es mit einem Event in Richtung Hessen? Aus bildungstechnischen Gründen?

19. Februar 2007 Hotel Waldhof, Prunksitzung

Februar 2007 Ute Z. Wesel / Foto: © Albert Ackermann