Neviges und der Fun-Racer

Bei der Zielsuche unseres Sonntagsausflugs entscheiden wir uns für Neviges. An diejenigen, die sich nicht so auskennen: Die Wallfahrt zum Gnadenbild der Ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter Maria nach Neviges (heute Stadtteil von Velbert) geht auf das Jahr 1681 zurück. Damit ist sie die älteste Wallfahrt zur "Immaculata" nördlich der Alpen. Man muss allerdings nicht unbedingt wallfahren, um Neviges schön zu finden. Es hat auch noch andere Sehenswürdigkeiten.

Wir haben einen schönen Tag im Ort. Bevor wir uns auf den Heimweg machen, sitzen wir gemütlich in einem Biergarten und lassen es uns gut gehen. Wir genießen das Erlebte und Gesehene.

Etwas später im Auto dann wird mir mulmig in der Magengegend, nachdem ich ganz nebenbei einen Blick auf die Tankuhr werfe, fange ich förmlich zu zittern an - ich hatte am Morgen vergessen den Wagen aufzutanken! Monika merkt von alldem rein gar nichts, bekommt vom Nervenkrieg nichts mit, der sich in meinem Kopf abspielt.



Auf den Autobahn-Hinweisschildern lese ich: Bis Köln 40 Kilometer. Ich schiele auf die Tankuhr. Sie sagt mir, dass der Tankinhalt für 40 Kilometer reicht. Der Eiertanz geht los! Mein rechter Fuß verliert sensibel an Durchtrittskraft fürs Gaspedal. Weit und breit sehe ich keinen Hinweis auf eine Tankstelle, noch nicht einmal ansatzweise. Meine Gedanken kreisen. Plötzlich erinnere ich mich, wenn auch ganz schwach, dass in Stammheim (am Rande von Köln) eine Tankstelle ist. Und da in Leverkusen, an der Hauptstraße, müsste auch eine sein. Aber ob die noch in Betrieb sind ? Keine Ahnung. Ich will auch nicht von der Autobahn abfahren, um mir eine offene Tankstelle zu suchen - das ist mir zu risikoreich!

Was macht man in solch einer Situation? Sprit sparen, wenn irgend möglich, genau! Zuerst schalte ich die Klimaanlage aus und den Geschwindigkeitsregler auf "100 Stundenkilometer" ein. Selbst auf das Radio verzichte ich gern, ausnahmsweise. Jetzt kann ich nur noch hoffen, hoffen und nochmals hoffen.

Monika schlummert friedlich neben mir und bekommt von meiner künstlerischen Veranstaltung am Lenkrad nichts mit. So mancher, der uns überholt, versteht die Welt nicht mehr. Da ist ein Fun-Racer, ein schneller Sportwagen auf der Bahn unterwegs und schleicht mit 100 Stundenkilometern Maximum durch die Gegend. Etliche Fahrer, die in ihren Autos an uns vorbeirauschen, schütteln ungläubig den Kopf. Mitunter treffen mich böse Blicke. (Am liebsten hätte ich ein Schild mit der Aufschrift "Ich könnte auch schneller wenn ich wollte! ? Wenn mir nicht der Sprit im Tank fehlen würde ?" ins Fenster geklebt!!) Mit 100 maximal über die Bahn - und das an Stellen, wo es keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt, wo ich den TT ausfahren könnte ?

Noch immer beherrscht ein Zittern meinen Körper. Der Gedanke an den fast leeren Tank malträtiert meine Nerven zusehends.

Endlich! Endlich kommen die "Ausläufer" von Leverkusen in Sicht! Ein verhohlener Blick auf die Anzeige - 20 Kilometer kann ich noch fahren, so viel Benzin habe ich noch an Bord. Wie genau diese Anzeige ist, weiß ich nicht. Den Test hätte ich schon längst mal machen sollen ? Fahre immer frühzeitig zum Tanken. Diesmal habe ich es total vergessen. Verdammt!

Tankstelle

Wir erreichen das Autobahnende. Bis hierher haben wir es geschafft! Jetzt befinden wir uns auf einer einsamen Landstraße. Ganz langsam fahre ich in den Kreisverkehr - noch läuft er, der Audi. Ich streichle liebevoll das Gaspedal, ein paar Zuwendungen können schließlich nicht schaden. Vorbei am Bayerwerk ? Eigentlich trage ich den TT mehr, als dass ich ihn fahre (jedenfalls im Geiste). Fast sentimental biege ich auf die Ausfallstraße in Richtung Köln ab. Ach!

Ja! Die Tankstelle in Leverkusen gibt es noch! Nichts wie ran an die Zapfsäule! Meine Laune wird spontan besser, als ich den göttlichen Spritverteiler sehe. Mir fallen aberhunderte Steine vom Herzen, ich bin total erleichtert.

Tankrüssel ab in den Audischlund und Benzin marsch! Jetzt geht's mir wieder richtig gut, wie ich da so stehe. Die Anzeigen von Benzinabgabe und Eurobetrag rattern wie in einem Spielautomat vor meinen Augen dahin. Sie rattern und rattern ?

Es klackt in der Pistole und die Anzeige bleibt bei 57,9 Litern stehen. Puh, wenn ich mich richtig erinnere, fasst der Tank 60 Liter (+/-). DAS war knapp! Es ist aber noch einmal gut gegangen.

Nachdem ich die Tankrechnung bezahlt habe, berichte ich Monika vom Kasus, der mich unterwegs ereilt hat, während sie entspannt vor sich hingeschlummert hat. Ihr wird nachträglich noch schummerig!

Einen unfreiwilligen Stopp wegen eines leeren Tanks haben wir vor 100 Jahren schon einmal durchlebt, mit einem VW Käfer. Richtig lustig fanden wir das damals schon nicht. Aber das ist eine andere Geschichte ?

albert46 ⋅ Juli 2008 * Redaktionelle Aufbereitung Ute Z. Wesel / Foto: © Albert Ackermann